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Grundfragen der Physik,
neu gestellt und beantwortet von einer Frau |
Die Zahl "eins"
Was alles "eins" sein kann - eine kleine Betrachtung
über die "göttliche" Zahl
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Gedanken zur Zahl "eins" - die Übersicht:
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1. 1 = 0,999... ?
Ist diese Gleichung
1 = 0,999... richtig?
Auf den ersten Blick sicher nicht. Die meisten Menschen würden zwischen die beiden Zahlen ein Rundungszeichen oder das Zeichen
">" setzen:
1 > 0,999 ...
1 ist größer als 0,999 ....
Doch diese auf den ersten Blick als richtig erscheinende Sicht ist nicht richtig.
Der Beweis, dass
1 = 0,999... richtig ist, ist einfach:
1 : 9 = 0,111 ...
9 x (1 : 9) = 9 x 0,111... = 0,999 ...
Andererseits gilt
9 x (1 : 9) = 1
Diese verblüffende Lösung kann noch auf anderer Art und Weise gefunden werden:
Man glaubt, man müsse "irgendwo da hinten" in der Zahlenkolonne der periodischen neun etwas addieren, damit man auf "eins" kommt:
doch wo konkret? Wo immer man das versucht, erhält man eine Zahl, die größer als 1 ist:
Ich setzte in die Zahlenreihe Pünktchen, um zu zeigen, dass man beliebig weit nach hinten gehen kann - man kann nichts addieren, ohne auf einen Zahlenwert größer als eins zu kommen:
0, 999 999 999 ... ... ... ... 999 ...
+ 0, 000 000 000 ... ... ... ... 010 ...
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= 1, 000 000 000 ... ... ... ... 009 999
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2. Das eigentliche Problem
Mit dieser Herleitung des Beweises der Gleichheit könnte man das ganze Problem als erledigt betrachten, es sich merken oder auch nicht. Es hat keine größere Bedeutung, könnte man meinen. Doch da fängt das Problem erst an.
Zuerst, als ich auf diese Gleichheit gestoßen war, fand ich sie nur kurios. Ich hielt sie für ein sehr schönes, anschauliches Beispiel, wie der "gesunde Menschenverstand" uns mitunter narren kann.
Doch dann wurde es ernst - und beinahe bösartig. Ich stellte einigen Wissenschaftlern, vorwiegend Männern, die Frage, welches Zeichen zwischen beide Zahlen gehört. Sie waren alle der Meinung, dass 1 > 0,999 999 .... sei. Wenn ich dann obigen Beweis aufzeigte, sagten sie i. a. "Na und?", ärgerten sich über ihren Irrtum und
wollten von dem Thema nichts mehr wissen. Zwei von ihnen meinten, der Beweis sei "nur ein Trick". Damit war für sie alle diese Frage letztendlich "völlig unwichtig".
Dann sprach ich auch mit Freunden, ehemaligen Studienkollegen, einem Ehepaar, Christel und Wolfgang F. Es kam zur Katastrophe: zwei Stunden diskutierten wir. Sie interessierte sich nicht für das Problem, er akzeptierte den Beweis nicht. Zufällig kam der 16jährige Sohn der beiden ins Zimmer, ein Gymnasiast, der bestätigte, dass ihr Lehrer ihnen diese Gleichheit ebenfalls gezeigt hatte. Er hatte keine Probleme damit, wenn er auch die ganze Tragweite des Problems noch gar nicht erfassen konnte. Diese erschloß sich mir auch erst mit der Zeit. Dieses Gespräch gab mir die letzte Gewißheit:
Das eigentliche Problem ist aus meiner Sicht, dass es den Menschen schwerfällt, diese Gleichheit zu akzeptieren.
Noch schlimmer: hier war nicht fehlerfreie Wiederholung von auswendig gelerntem Wissen gefragt, hier musste man "selbst nachdenken" - und das fiel offenbar den meisten meiner Gesprächspartner schwer.
Daraus ergibt sich aus meiner Sicht eine Schlußfolgerung:
Entweder ist also im Schulunterricht etwas versäumt worden oder es gibt wirklich einen Gegensatz zwischen der Fähigkeit zum mathematischen Denken und dem Alltagsdenken.
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3. Kinderleichte Darstellung
Später suchte ich in einigen Mathematik-Büchern nach einer Information über diese Gleichheit, fand jedoch nichts darüber- mit zwei Ausnahmen. Das eine war ein wunderbares Kinderbuch über Mathematik, in dem dieses Phänomen zwanglos und anschaulich vorgeführt wurde. Dort wurde auch darauf verwiesen, dass diese Gleichheit für viele Zahlen gilt, z. B. auch für:
0, 499 9... = 0,5
99, 999 ... = 100
(siehe Quellen: Kaden)
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4. Das Verschweigen
Das andere Buch war ein aus dem Russischen übersetztes zweibändiges Werk, das Schülern das Interesse an Mathematik wecken sollte.
(siehe Quellen: Streifzüge, S. 191)
Darin fand ich unter der Überschrift
„Die Menge der reellen Zahlen ist nicht abzählbar“
folgendes:
Bezugnehmend auf den „berühmten deutschen Mathematiker“ Cantor steht dort u.a.:
„Jede derartige reelle Zahl kann als unendlicher Dezimalbruch mit einer Null vor dem Komma geschrieben werden. Diese Darstellung ist für alle reellen Zahlen eindeutig (Hervorhebg. von mir - B. K.), mit Ausnahme derjenigen Zahlen, die durch endliche Dezimalbrüche ausdrückbar sind. Jede solche Zahl, wie etwa 0,2476622021711, kann auf zwei Arten als unendlicher Dezimalbruch geschrieben werden:
in der Form
0,2476622021711000000000...
oder in der Form
0,2476622021710999999999...
In der einen Darstellung treten von einer gewissen Stelle an nur noch Nullen auf, in der anderen nur noch Neunen. Wenn wir nun vereinbaren, die endlichen Dezimalbrüche nicht als solche mit der Periode 9 zu schreiben, so wird es für jede reelle Zahl nur eine einzige Darstellung als unendlichen Dezimalbruch geben.“(Am Rande bemerkt: noch interessanter als die Erwähnung des Problems ist, dass dieses Phänomen nicht so einfach wie im Buch von Kaden (s.o.) dargestellt wurde. Es wurde sozusagen hinter den "unvorstellbar" kleinen und vielziffrigen Zahlen sehr offenkundig versteckt.)
Mit anderen Worten, man bedient sich eines Tricks, einer "Vereinbarung", um die unbequeme doppelte Schreibweise loszuwerden, anstatt darüber nachzudenken, was für eine wunderbare philosophische Grunderkenntnis in dieser mathematischen Doppeldeutigkeit sichtbar wird:
Jede "endliche", konkrete Zahl kann immer auch als Dezimalzahl mit "unendlicher" Ziffernfolge geschrieben werden.
Endlichkeit und Unendlichkeit treffen sich in der Doppeldeutigkeit.
Diese philosophische Grunderkenntnis wird auch in der mathematischen Sprache sichtbar und erkennbar!
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5. Zählen bis "eins"
Mit dieser doppelten Schreibweise der Zahl 1 und 0,999 ...
lässt sich nun
ein hübsches Spielchen treiben:
man kann versuchen, die Zahl eins zählend zu erreichen, indem man die Dezimalzahlen, die zur Periode 9 führen, zählt:
1. Zahl: 0,9
2. Zahl: 0,99
3. Zahl: 0,999
4. Zahl: 0,999 9
usw.
Dieses Beispiel zeigt, dass man "unendlich viele Zahlen" bilden kann und doch die "eins" nie erreicht.
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6. Die "unfassbare", "unberechenbare" Zahl
Noch ein Aspekt ist zu bedenken:
Was für eine Zahl ist 0,999 ... ? Obwohl 0,999 ... „gleich“ 1 ist, kann man mit dieser Zahl nichts anfangen, nicht mit ihr rechnen:
Mit 1/9 = 0,111 ... kann man rechnen, der Bruch 9 / 9 = 0,999... ist „gleich 1“. Wie soll man also diese Zahl 0, 999 ... mathematisch faßbar machen? Wie bekommt man sie „in den Griff?“ - Kaum hat man sie geschrieben, ist sie „gleich 1“ und „verschwunden“. Es ist nicht möglich, mit ihr zu rechnen. Nun wird wohl klar, warum man "vereinbaren" muss (siehe 4. ), dass man nur eine Schreibweise zulässt.
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7. Der Wert "eins"
Den Wert „eins“ „1“ kann man übrigens in ziemlich vielen mathematischen Schreibweisen schreiben, z.B.:
sin 90° = 1
(-1)² = 1
e
0 = 1 e - Eulersche Zahl
Die Schreibweise 0,999 ... = 1 ist also nur eine unter vielen möglichen.
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8. Die "göttliche" Eins
Eher zufällig fiel es mir erst vor einigen Jahren auf. Wenn man das russische Wort für "eins" spricht, lautet es "adihn". Die Schreibweise "odin" wird durch die kyrillischen Buchstaben und dadurch, dass das unbetonte "o" wie "a" gesprochen wird, überspielt.
Odin ist der germanische Gott, auch "Wotan" genannt. Von ihm stammt das Wort "Gott" ab. Das ist den meisten Menschen im deutschen Sprachkreis nicht bewusst: weder, dass das Wort "Gott" nicht aus dem hebräischen oder lateinischen kommt, sondern aus dem germanischen, noch,
dass die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes "Der Eine", "Eins", "Einheit" war. Ich denke, auch dieser Zusammenhang müsste im Rahmen des Mathematik-Unterrichtes wenigstens Erwähnung finden.